BGH: Leitsatzentscheidung zum Green-IT-Geschäftsmodell

BGH: Leitsatzentscheidung zum Green-IT-Geschäftsmodell

Der Bundesgerichtshof hat das am 19.3.2015 verkündete Urteil1 begründet und dadurch eine wichtige Leitsatzentscheidung zum „Green-IT“-Geschäftsmodell getroffen. Wir erklären, was das Urteil für Händler und Kundschaft bedeutet.

Mittelständischer Softwarehändler klagt gegen Symantec – Urteil beendet sechsjährigen Rechtsstreit

Das BGH-Urteil beendet den Rechtsstreit zwischen einem mittelständischen Softwarehändler und dem global agierenden US-Softwarehaus Symantec. Vorausgegangen war ein sechsjähriger Rechtsstreit: Zunächst klagte Symantec vor dem Landgericht Frankfurt.2

Vertrieb von Download-Keys zu Box-Software-Produkten sollte zunächst gänzlich verboten werden

Zunächst schlug sich das Gericht noch auf die Seite von Symantec, es war vorgesehen, dass der Vertrieb von Download-Keys zu Box-Software-Produkten, prinzipiell unterbunden werden sollte. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs3 folgte ein weiteres Hauptsacheverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt4, ehe der Fall vor dem BGH landete5.
Symantec klagte auf Unterlassung – BGH muss wegen EuGH differenzierter urteilen
Prinzipiell klagte Symantec auf Unterlassung, der Softwarehändler sollte den Verkauf von Produktschlüsseln, die zu Software-Box-Produkten zählen, unterlassen. Nach dem EuGH-Grundsatzurteil im UsedSoft-Fall musste sich das OLG Frankfurt nach dem Urteil des EuGH richten, differenzierter entscheiden und entsprechende Vorgaben umsetzen. Nachdem auch dieses Berufungsurteil von beiden Parteien erneut angegriffen worden war, befasste sich schließlich der BGH mit der Sache.

Was ist „Green-IT“?

Unter dem Geschäftsmodell „Green-IT“ versteht sich der Verkauf einer Software-Downloadmöglichkeit nebst einem Produktschlüssel via Post oder E-Mail. Optional bekommt ein Kunde dabei die Möglichkeit, die Datenträger und / oder die Verkaufsverpackung nachliefern zu lassen. Macht der Kunde davon nicht Gebrauch, werden diese Datenträger / Verpackungen vernichtet. Symantec klagte hier auf Unterlassung und betonte, dass ein solches Vorgehen nicht rechtens sei.

Softwarehändler erhält in 6 von 7 Punkten Recht

Fast alle Punkte wurden zugunsten der Beklagten entschieden. So heißt es unter anderem:

„b) Räumt der Inhaber des Urheberrechts an einem Computerprogramm dem Erwerber einer Programmkopie das Recht zur Nutzung für die gesamte Zeit der Funktionsfähigkeit des Computerprogramms ein, liegt eine Veräußerung im Sinne von § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG vor, die zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts an der Programmkopie führen kann.

c) Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an der Kopie eines Computerprogramms gemäß § 69cNr. 3 Satz 2 UrhG erstreckt sich auf das Recht zum Weiterverbreiten der Programmkopie sowohl durch Weitergabe eines die Programmkopie enthaltenden Datenträgers als auch durch Bekanntgabe eines zum Herunterladen des Programms erforderlichen Produktschlüssels. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Weiterverkäufer die „erschöpfte“ Kopie des Computerprogramms seinerseits von dem Verkäufer durch Übergabe eines Datenträgers oder durch Bekanntgabe des Produktschlüssels erhalten hat.“

Zweiterwerber ist nicht zur Vervielfältigung durch Download berechtigt


In einem Punkt bekam aber Symantec Recht zugesprochen. Ein Zweiterwerber ist nicht zur Vervielfältigung durch Download berechtigt. So hieß es im Urteil:

„d) Wird die „erschöpfte“ Kopie eines Computerprogramms durch Bekanntgabe des Produktschlüssels weiterverkauft, setzt die Berechtigung des Nacherwerbers zum Herunterladen und damit Vervielfältigen des Computerprogramms nach § 69d Abs. 1 UrhG voraus, dass der Vorerwerber seine Kopien dieses Programms zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar gemacht hat.

e) Der Markeninhaber muss es nach Art. 13 Abs. 2 GMV nicht hinnehmen, dass seine Marke für den weiteren Vertrieb der von ihm oder mit seiner Zustimmung unter dieser Marke in Verkehr gebrachten Kopie eines Computerprogramms verwendet wird, wenn die ernstliche Gefahr besteht, dass der Erwerber der Kopie das Urheberrecht am Computerprogramm verletzt (Anschluss an BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 6/10, GRUR 2012, 392 = WRP 2012, 469 – Echtheitszertifikat).“


Was bedeutet das Urteil für die Gebrauchtsoftware-Branche und die Kunden?

Der Erwerber darf die Software erst dann rechtmäßig, d.h. ohne Verstoß gegen Urheberrechte, von der Internetseite des Herstellers herunterladen, wenn der Veräußerer selbst keine Kopien der Software mehr besitzt. Ist dies nicht der Fall, d.h., hält der Veräußerer Kopien zurück, verstößt der Erwerber durch den Download gegen das ausschließliche Recht des Herstellers auf Verbreitung und Vervielfältigung der Software. Das gilt auch dann, wenn an dem Key selbst nichts zu beanstanden ist, er also "echt" ist.  Wenn daher der Produktschlüssel ursprünglich Teil einer Box-Software mit Datenträger war - egal ob Retail oder Bulk - muss der Veräußerer entweder den in der Box enthaltenen Datenträger selbst zerstört / unbrauchbar gemacht haben oder er muss den Datenträger an den Kunden übersenden. Nur dann hätte der Veräußerer selbst keine Kopien der Software zurückbehalten, nur dann dürfte der Erwerber auch rechtmäßig herunterladen.

Erwerber liegt in der Beweispflicht

Das Pikante an der Sache ist, dass die Beweispflicht hierfür beim Erwerber liegt. Aus diesem Grund ist der Erwerb von bloßen Download-Keys auch mit Vorsicht zu begegnen. Der Käufer weiß in der Regel nicht, woher der Key ursprünglich stammt. Man sieht es dem Key nicht an, ob er Teil eines Box-Software-Produkts war. Ist dies der Fall, muss der Käufer im Grunde genommen zu seiner eigenen Sicherheit darauf bestehen, dass er vom Veräußerer den zugehörigen Datenträger mitübersandt bekommt. Nur dann hätte er ausreichend Sicherheit.

Händler begeht Rechtsverstoß, wenn Datenträger zurückgehalten werden

Auch der Händler begeht im Übrigen einen Rechtsverstoß, wenn er den Datenträger zurückhält, d.h., nicht zerstört oder nicht mitschickt, und zwar einen Verstoß gegen das Markenrecht: Ohne Zerstörung oder Mitübersendung des Datenträgers besteht die ernsthafte Gefahr, dass der Erwerber des Keys das Urheberrecht des Herstellers verletzt. Dies muss der Hersteller als Markenrechtsinhaber nicht hinnehmen und kann gegen den Händler allein aufgrund dieser Gefährdung wegen Markenrechtsverletzung vorgehen.

Händler dürfen bei Box-Software Download-Link und Produktschlüssel liefern – unter Auflagen

Sofern entsprechende Auflagen beachtet werden (siehe oben), dürfen Händler also auch bei „Box-Software“ lediglich einen Download-Link und einen Produktschlüssel zur Registrierung / Aktivierung übermitteln. Das BGH-Urteil ist demnach nach dem EuGH-Urteil ein weiteres Urteil, das die Rechte von Gebrauchtsoftware-Händlern und deren Kunden stärkt. Vorausgesetzt, die grundlegenden Spielregeln werden beachtet und eingehalten. Die 2ndsoft GmbH übermittelt deshalb immer den gesamten Lieferumfang auf dem Postweg bzw. kooperiert bei der Umlizenzierung direkt mit dem jeweiligen Urheber. So haben Händler und Kunde ein Höchstmaß an Rechtssicherheit.


1 (BGH, Urteil v. 19.3.2015, Az. I ZR 4/14 – Green-IT)
2
(Beschluss v. 16.7.2010, Az. 2-03 O 331/10 – einstweiliges Verfügungsverfahren, Urteil v. 31.3.2011, Az. 2-03 O 331/10 – einstweiliges Verfügungsverfahren und LG Frankfurt, Urteil v. 15.3.2012, Az. 2-03 O 302/11 – Hauptsacheverfahren).
3 (EuGH, Urteil v. 3.7.2012, Az. C-128/11 – UsedSoft)
4 (Urteil v. 12.11.2013, Az. 11 U 32/12)
5 (Urteil v. 19.3.2015, Az. I ZR 4/14)